Momentan erleben viele Menschen zum ersten Mal, wie es ist daheim zu arbeiten. Das bringt neue Argumente in die Diskussion zu Sinn und Unsinn von Homeoffice.
Momentan erleben viele Menschen zum ersten Mal, wie es ist daheim zu arbeiten. Das bringt neue Argumente in die Diskussion zu Sinn und Unsinn von Homeoffice.
Homeoffice gab es schon vor Covid-19. Doch die Meinungen zur Arbeit daheim gehen auseinander. Einige Unternehmen schwören darauf. Sie finden, es habe einen positiven Einfluss auf Konzentration und Motivation. Für andere klingt es nach bezahlten Ferien.
Wie steht es mit Homeoffice in der Schweiz, wo 2018 ein Viertel der Beschäftigten zumindest gelegentlich zu Hause gearbeitet hat?
Die Zahlen, basierend auf einer Berechnungsformel der Klimaschutz-Stiftung myclimate, klingen vielversprechend: Würden 450'000 Erwerbstätige in der Schweiz einmal pro Woche zu Hause statt im Büro arbeiten, dann würden sie rund 4,5 Millionen Kilometer weniger mit dem Auto fahren und 2,6 Millionen Kilometer weniger mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. So könnten pro Woche 1400 Tonnen CO2 eingespart werden.
Es kommt auf die Perspektive an
Das klingt nach viel. «Doch diese Zahlen müssen in einen Kontext gestellt werden», warnt Clive Muller, Direktor der Abteilung für Luft-, Klima- und Technologierisiken des Kantons Waadt. «In Wahrheit hat das Homeoffice nicht so viel Einfluss. Menschen, die zu Hause arbeiten, verursachen zwar weniger Pendlerverkehr. Aber privat sind sie trotzdem unterwegs. Dazu sollte man beachten, dass die Bevölkerung mehr zum Einkaufen und zur Freizeitgestaltung als aus beruflichen Gründen reist. Also, ja, 1400 Tonnen CO2 scheinen eine ganze Menge, aber wenn man es genauer analysiert, ist es überhaupt nicht viel.»
Tatsächlich hat die Schweiz nach Angaben des Bundesamts für Umwelt im Jahr 2017 ganz andere Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre freigesetzt, nämlich 47,2 Millionen Tonnen äquivalentes CO2 (ohne den internationalen Luft- und Seeverkehr) oder 5,6 Tonnen pro Einwohner (davon 4,5 Tonnen CO2).
«Der Verkehr ist für rund 50 Prozent der Schadstoffemissionen verantwortlich», sagt Clive Muller. «Wenn wir von einem Tag pro Arbeitswoche im Homeoffice ausgehen, können wir die lokalen Emissionen um 20 Prozent reduzieren. Da jedoch schätzungsweise 50 Prozent des in der Stadt gemessenen Feinstaubs von aussen kommen, wird in Wirklichkeit nur 1/20 Mikrogramm des Feinstaubs eingespart. Damit die Arbeit von zu Hause aus wirklich etwas bewirken kann, müsste sie massiv ausgebaut werden», sagt Muller.
Längere Arbeitswege werden in Kauf genommen
«Offiziell arbeiten nicht sehr viele Personen im Homeoffice und es gibt nicht nur positive Aspekte. Einige Arbeitnehmende entscheiden sich für einen Job, der weiter weg von ihrem Wohnort ist, dafür können sie einen Tag zu Hause arbeiten. Das führt in der Summe zu einer negativen Mobilitätsbilanz, da ihre zurückgelegten Kilometer immer noch überdurchschnittlich hoch sind», warnt Christian Liaudat, Leiter der Stelle für Beobachtung und Mobilitätsprognosen des Kantons Waadt.
Diese Zahlen werden durch eine Studie bestätigt, die im Dezember vergangenen Jahres in der der englischen Fachzeitschrift «Built Environment» unter dem Titel «Home Office: Nimmt die Mobilität ab oder erhöht sich die Toleranz für Entfernungen?» veröffentlicht wurde.
Laut dieser Untersuchung von Emmanuel Ravalet und Patrick Rérat von der Universität in Lausanne legte 2015 ein Mitarbeiter, der im Homeoffice arbeitet, 244 Kilometer pro Woche zurück. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer, der kein Homeoffice macht, kommt auf 210 Kilometer.
Der Rebound-Effekte
«Wir sprechen hier von einem ‹Rebound-Effekt›», sagt Christian Liaudat. «Das heisst, wer weniger weit zur Arbeit fährt, reist für Ausflüge oder Freizeitaktivitäten öfter und weiter», erklärt er. Kurz gesagt, ist die Umweltbilanz von Personen im Homeoffice nicht unbedingt besser. «Dennoch ist das Homeoffice offensichtlich ein wichtiger Schritt in die Zukunft», findet Liaudat.
Studienautor Emmanuel Ravalet stimmt zu: «So wie Homeoffice derzeit praktiziert wird, bringt es keine wesentliche Verbesserung. Wenn Homeoffice weiter verbreitet wäre, auch bei Menschen, die in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen, dann hätte dies positive Auswirkungen auf die Umwelt.»
Die aktuelle Situation könnten seiner Meinung nach zu einem Umdenken führen. «Die Eindämmungsmassnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie ermöglichen es vielen Menschen, die fürs Homeoffice zur Verfügung stehenden technologischen Werkzeuge zu testen. Jeder wird selbst bestimmen können, welche Vorteile ein Tag im Homeoffice bringt. Derzeit wird ein umfassendes Experiment sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite durchgeführt. Es wird interessant zu sehen, was dabei herauskommt», erklärt Ravalet.
myclimate ist sich der grossen Kluft zwischen Theorie und Praxis absolut bewusst: «Homeoffice ist nicht DIE magische Lösung, aber es könnte helfen, den CO2-Ausstoss der individuellen Mobilität zu reduzieren, indem es das Reisen einschränkt», erklärt Kai Landwehr, Pressechef der NGO. «Anders gesagt: Wir sehen ein riesiges Potenzial für die breitere Anwendung des Homeoffice zur Verbesserung der Luftqualität und zur Reduzierung der CO2-Emissionen.»
Homeoffice hat das Potenzial, die Luftqualität zu verbessern. In diesem Punkt sind sich alle befragten Experten einig. Eine Konsequenz der aktuellen Covid-19-Pandemie, könnte sein, dass viele Unternehmen ihre Haltung zur Heimarbeit überdenken.
Homeoffice gab es schon vor Covid-19. Doch die Meinungen zur Arbeit daheim gehen auseinander. Einige Unternehmen schwören darauf. Sie finden, es habe einen positiven Einfluss auf Konzentration und Motivation. Für andere klingt es nach bezahlten Ferien.
Wie steht es mit Homeoffice in der Schweiz, wo 2018 ein Viertel der Beschäftigten zumindest gelegentlich zu Hause gearbeitet hat?
Die Zahlen, basierend auf einer Berechnungsformel der Klimaschutz-Stiftung myclimate, klingen vielversprechend: Würden 450'000 Erwerbstätige in der Schweiz einmal pro Woche zu Hause statt im Büro arbeiten, dann würden sie rund 4,5 Millionen Kilometer weniger mit dem Auto fahren und 2,6 Millionen Kilometer weniger mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. So könnten pro Woche 1400 Tonnen CO2 eingespart werden.
Es kommt auf die Perspektive an
Das klingt nach viel. «Doch diese Zahlen müssen in einen Kontext gestellt werden», warnt Clive Muller, Direktor der Abteilung für Luft-, Klima- und Technologierisiken des Kantons Waadt. «In Wahrheit hat das Homeoffice nicht so viel Einfluss. Menschen, die zu Hause arbeiten, verursachen zwar weniger Pendlerverkehr. Aber privat sind sie trotzdem unterwegs. Dazu sollte man beachten, dass die Bevölkerung mehr zum Einkaufen und zur Freizeitgestaltung als aus beruflichen Gründen reist. Also, ja, 1400 Tonnen CO2 scheinen eine ganze Menge, aber wenn man es genauer analysiert, ist es überhaupt nicht viel.»
Tatsächlich hat die Schweiz nach Angaben des Bundesamts für Umwelt im Jahr 2017 ganz andere Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre freigesetzt, nämlich 47,2 Millionen Tonnen äquivalentes CO2 (ohne den internationalen Luft- und Seeverkehr) oder 5,6 Tonnen pro Einwohner (davon 4,5 Tonnen CO2).
«Der Verkehr ist für rund 50 Prozent der Schadstoffemissionen verantwortlich», sagt Clive Muller. «Wenn wir von einem Tag pro Arbeitswoche im Homeoffice ausgehen, können wir die lokalen Emissionen um 20 Prozent reduzieren. Da jedoch schätzungsweise 50 Prozent des in der Stadt gemessenen Feinstaubs von aussen kommen, wird in Wirklichkeit nur 1/20 Mikrogramm des Feinstaubs eingespart. Damit die Arbeit von zu Hause aus wirklich etwas bewirken kann, müsste sie massiv ausgebaut werden», sagt Muller.
Längere Arbeitswege werden in Kauf genommen
«Offiziell arbeiten nicht sehr viele Personen im Homeoffice und es gibt nicht nur positive Aspekte. Einige Arbeitnehmende entscheiden sich für einen Job, der weiter weg von ihrem Wohnort ist, dafür können sie einen Tag zu Hause arbeiten. Das führt in der Summe zu einer negativen Mobilitätsbilanz, da ihre zurückgelegten Kilometer immer noch überdurchschnittlich hoch sind», warnt Christian Liaudat, Leiter der Stelle für Beobachtung und Mobilitätsprognosen des Kantons Waadt.
Diese Zahlen werden durch eine Studie bestätigt, die im Dezember vergangenen Jahres in der der englischen Fachzeitschrift «Built Environment» unter dem Titel «Home Office: Nimmt die Mobilität ab oder erhöht sich die Toleranz für Entfernungen?» veröffentlicht wurde.
Laut dieser Untersuchung von Emmanuel Ravalet und Patrick Rérat von der Universität in Lausanne legte 2015 ein Mitarbeiter, der im Homeoffice arbeitet, 244 Kilometer pro Woche zurück. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer, der kein Homeoffice macht, kommt auf 210 Kilometer.
Der Rebound-Effekte
«Wir sprechen hier von einem ‹Rebound-Effekt›», sagt Christian Liaudat. «Das heisst, wer weniger weit zur Arbeit fährt, reist für Ausflüge oder Freizeitaktivitäten öfter und weiter», erklärt er. Kurz gesagt, ist die Umweltbilanz von Personen im Homeoffice nicht unbedingt besser. «Dennoch ist das Homeoffice offensichtlich ein wichtiger Schritt in die Zukunft», findet Liaudat.
Studienautor Emmanuel Ravalet stimmt zu: «So wie Homeoffice derzeit praktiziert wird, bringt es keine wesentliche Verbesserung. Wenn Homeoffice weiter verbreitet wäre, auch bei Menschen, die in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen, dann hätte dies positive Auswirkungen auf die Umwelt.»
Die aktuelle Situation könnten seiner Meinung nach zu einem Umdenken führen. «Die Eindämmungsmassnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie ermöglichen es vielen Menschen, die fürs Homeoffice zur Verfügung stehenden technologischen Werkzeuge zu testen. Jeder wird selbst bestimmen können, welche Vorteile ein Tag im Homeoffice bringt. Derzeit wird ein umfassendes Experiment sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite durchgeführt. Es wird interessant zu sehen, was dabei herauskommt», erklärt Ravalet.
myclimate ist sich der grossen Kluft zwischen Theorie und Praxis absolut bewusst: «Homeoffice ist nicht DIE magische Lösung, aber es könnte helfen, den CO2-Ausstoss der individuellen Mobilität zu reduzieren, indem es das Reisen einschränkt», erklärt Kai Landwehr, Pressechef der NGO. «Anders gesagt: Wir sehen ein riesiges Potenzial für die breitere Anwendung des Homeoffice zur Verbesserung der Luftqualität und zur Reduzierung der CO2-Emissionen.»
Homeoffice hat das Potenzial, die Luftqualität zu verbessern. In diesem Punkt sind sich alle befragten Experten einig. Eine Konsequenz der aktuellen Covid-19-Pandemie, könnte sein, dass viele Unternehmen ihre Haltung zur Heimarbeit überdenken.