Frauenpower für die Energiewende
Die beruflichen Perspektiven im Energiesektor der erneuerbaren Energien werden in den nächsten Jahren rasant wachsen. Helion-CEO Noah Heynen hat es anfangs 2022 so formuliert: «Wir gehen für die Schweiz von rund 21’000 zusätzlichen Fachkräften aus, die über die Jahre hinweg rekrutiert werden.» Diese Zahl verdeutlicht, dass die Energiewende eine direkte und vielfältige Mitwirkung durch Projekte, Arbeitsplätze und Karrieremöglichkeiten erfordert. Immer mehr Frauen nutzen diese Möglichkeiten und verändern somit nachhaltig den Energiesektor.
Im Energiesektor ist der Frauenanteil seit jeher gering, in Führungspositionen erst recht. Die Bedingungen sind für Frauen schwieriger als für Männer. Das beginnt schon bei der Ausbildung, denn Frauen trauen sich immer noch zu selten, mathematisch-naturwissenschaftliche oder technische Berufe zu ergreifen. Dabei bringen sie nicht weniger mathematisches oder technisches Verständnis mit, sind aber gleichzeitig stark am Gemeinwohl und an Innovationen interessiert.
Klimabewegung in weiblicher Hand
Eine gute Nachricht vorweg: Der Frauenanteil im Bereich der erneuerbaren Energien wächst stärker als im konventionellen Energiesektor. Ein möglicher Grund könnte das steigende Bewusstsein für den Klimawandel sein, denn schlussendlich ist weltweit die Klimabewegung weitgehend weiblich. Zudem geben Frauen als Grund für ihre Berufswahl häufig an, mit ihrer Tätigkeit etwas Sinnvolles tun zu wollen. Frauenpower ist also erwünscht: Denn es ist längst erwiesen, dass Unternehmen von einer vielfältigeren Belegschaft und einem gemischten Führungsteam nachhaltig profitieren.
Doch wie sieht es beim Energielösungsunternehmen Helion aus, das in einer typischerweise Männer dominierten Branche tätig ist. Oder ist dem überhaupt so? Und wo genau sind die Frauen im Unternehmen zu finden? Derzeit machen Frauen nur 12 Prozent der Belegschaft aus und sind vor allem in den Bereichen Marketing, Finanzen und Personalwesen anzutreffen. Aber nicht nur!
Solarfrau Sara Pardo, 32, Projektleiterin Photovoltaik Grossanlagen, im Gespräch:
Liebe Sara, erzähle von dir und deinem beruflichen Werdegang. Wie kam es dazu, dass du heute Karriere in einem Energielösungs-Unternehmen machst?
Sara Pardo: Ich komme ursprünglich aus Bogotá (Kolumbien) und bin erst seit meinem achten Lebensjahr in der Schweiz, wo ich als Kind in einem Bauernhaus lebte. Diese frühe Erfahrung zweier sehr unterschiedlicher Welten hat mich stark geprägt.
In der Schule wurde mir schnell klar, dass meine Stärken bei der Mathematik und den Naturwissenschaften liegen. Also absolvierte ich eine Lehre als Elektrozeichnerin, gefolgt von einem CAS in Lichtplanung. Derzeit schliesse ich mein berufsbegleitendes FH-Studium in Elektrotechnik und Informationstechnologie ab.
Die Firma Helion ist mir schon 2008 aufgefallen, als das Unternehmen noch ganz neu war. Im Oktober 2020 kam ich dann zu Helion, wo ich als erste Frau im Grossanlagen-Team als Projektleiterin tätig bin.
Brauchte deine Berufswahl Überwindung?
Eigentlich überhaupt nicht. Heute bin ich am richtigen Ort mit den richtigen Leuten. Der Gedanke, in der Welt der erneuerbaren Energien etwas bewirken zu können, war schon immer in meinem Kopf.
Fühlst du dich als Pionierin in der Solarbranche?
Ja und nein. Was mir immer wieder auffällt, ist, dass viele Frauen mit einem Hang zur Technik sich für einen klassischen Frauenberuf entscheiden. Mit anderen Worten: Man sollte schon früh in der Ausbildung vermitteln, dass man auf seine Fähigkeiten achten und die entsprechenden Berufswege einschlagen sollte. Ich mag Menschen und habe auch schon im sozialen Bereich geschnuppert, aber letztlich kann ich mehr bewirken, wenn ich meine eigentlichen Fähigkeiten im Alltag einsetzen kann.
Wie kommst du im Team bei Helion an?
Die Atmosphäre ist sehr kollegial! Sobald die Herren merkten, dass ich einigermassen kompetent bin, ging es nie mehr darum, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.
Und wie kommst du bei den Kund*innen an?
Früher hatte ich manchmal das Gefühl, dass man mir ein paar zusätzliche technische Fragen stellte, was bei männlichen Kollegen selten der Fall war. Aber nach einer kurzen Vorstellung drehte sich das Gespräch meist schnell um die technischen Aspekte. Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun habe: Vom Geschäftsführer einer zahnmedizinischen Firma oder eines Autohändlers bis hin zum Planer und Monteur sind meine Kontakte zwar meist männlich, aber sehr aufgeschlossen. Im Grunde wollen alle Ergebnisse sehen, und solange ich diese liefern kann, ist die weibliche Komponente auch schnell vergessen.
Welche Art von Projekten betreust du aktuell?
Zurzeit betreue ich drei bis vier aktive Baustellen parallel, insgesamt habe ich zehn Energieprojekte in der Pipeline, wie etwa das neue multifunktionale Ambri-Piotta-Stadion, das vom Architekten Mario Botta entworfen wurde. Unter der Woche bin ich rund 80 Prozent im Büro und die restliche Zeit schweizweit unterwegs, um zu Geschäftspartner*innen und auf Baustellen zu fahren.
Wo siehst Du Unterschiede an den Herangehensweisen von Frauen und Männern?
Tatsächlich geht ein Mann manche Punkte anders an, er setzt die Prioritäten anders. In gewisser Weise scheinen mir Männer geradliniger zu sein, Frauen sind vielleicht etwas detailversessener. Ich denke, dass die Mischung den Unterschied macht. Männer gehen oft lösungsorientierter an Themen heran, sie sind insgesamt pragmatischer und haben Erfahrung mit Krisenmanagement. Allgemein würde ich auch sagen, dass Männer ehrgeiziger sind, wenn es um ihre Karriere geht, während Frauen mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance legen. Im Gegensatz dazu würde ich sagen, dass die Soft Skills, die angeblich eher Frauen vorbehalten sind, nichts mit dem Geschlecht zu tun haben.
Was hältst du von (Frauen-)Netzwerken in unserer Branche?
Sehr viel! Und zwar nicht, weil es sich um Frauen handelt, sondern weil man sich mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufsfeldern und mit ganz unterschiedlichen Ansichten austauschen kann.
Würdest du dir wünschen, dass noch mehr Berufschancen für Frauen im Energiebereich geschafft werden?
Ich würde es anders formulieren: Eine gute Mischung tut jedem Unternehmen gut. Zudem sind Frauen wie Männer heute in der Regel sehr gut ausgebildet und sollten ihre Fähigkeiten dort einsetzen, wo sie am meisten bewirken können.
Besten Dank für das Gespräch, Sara Pardo, und weiterhin alles Gute, persönlich und beruflich!