Sie brachte UBS & Co. ins Fadenkreuz des Klimastreiks: Am zweiten nationalen Treffen des Klimastreiks gründete Stephanie Wyss eine Gruppe, die sich für ökologische Banken einsetzt. Foto: Privat

Die Klimaaktivistin aus einer bürgerlichen Familie

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Wegen Stephanie Wyss landete der Finanzplatz auf der Agenda des Klimastreiks. Dabei lebte die 24-jährige Bernerin selbst einst gar nicht grün. Im Interview erzählt Wyss, was sie aus Rückschlägen gelernt hat – und wo sie heute Kompromisse eingeht.

Die Bernerin Stephanie Wyss (24) wurde als ein Gesicht der Klimabewegung bekannt: Sie hielt Reden an Demonstrationen, wurde von diversen Zeitungen porträtiert und diskutierte öffentlich mit Bankenvertretern über die Rolle des Finanzplatzes in der Klimakrise. «Bei den Finanzinstituten haben wir einen riesigen Hebel, um lokal und global etwas für das Klima zu tun», sagte sie einmal. Heute ist Wyss unter anderem Teil der SNB-Koalition, die sich für einen ökologischen Finanzplatz einsetzt.

Stephanie Wyss, Sie sind in einer Familie aufgewachsen, in der die Klimakrise kein Thema war. Warum interessieren Sie sich überhaupt dafür?

Stephanie Wyss: Seit ich klein bin, beschäftigt mich, dass es anderen Menschen nicht so gut geht wie mir. Oft traf mich der Kontrast zwischen meinem Leben und dem Leben anderswo. Ich verstand nicht, wieso dieser Unterschied existiert, und fand es unfair. Mit 18 Jahren las ich das Buch «Traumfänger» von Marlo Morgan. Darin beschreibt sie, wie die Aborigines unsere Gesellschaft sehen und wie sie selbst gelebt hatten. Es berührte mich tief, wie verbunden sie mit der Erde und den Mitmenschen sind. Das führte auch dazu, dass ich unsere Gesellschaft noch weniger verstand.

Beim Unverständnis ist es nicht geblieben. Sie wurden zur Aktivistin.

Genau. Politisch aktiv zu sein, half mir, mit meinem Weltschmerz und der empfundenen Ohnmacht umzugehen. Beim Start der Klimabewegung mit Greta Thunberg wurde ich vom Feuer der Bewegung mitgerissen. Ich hatte damals keinen ökologischen Lifestyle und wusste nicht viel über die Klimakrise. Mir war nicht bewusst, wie meine Handlungen und das Wohl des Planeten zusammenhängen. Das änderte sich rasch. Und ich fand es selbstverständlich, dass sich nicht nur im Grossen vieles ändern muss, sondern auch im Kleinen. Bei meinen Handlungen. Inzwischen lebe ich beispielsweise vegetarisch.

Eine Klimaaktivistin in einer bürgerlichen Familie – das führte sicherlich zu Konflikten.

Ich verstand nicht, dass meine Familie sich keine grossen Sorgen machte. Ich fühlte mich allein gelassen, unverstanden und griff ihr Verhalten oft an: «Müsst ihr wirklich für ein verlängertes Wochenende wegfliegen, ist euch das Klima so egal?!» Das kam nicht gut an.

Anecken gehört zum Aktivismus. Veränderten Sie dadurch denn auch etwas?

Ja. Meine Grossmutter entschied beispielsweise, dass wir zu ihrem 80. Geburtstag alle zusammen mit dem Zug statt mit dem Flieger nach Paris reisen. Zudem wechselte sie auf nachhaltige Anlagen. Und als sie erfuhr, dass auch bei diesen vieles nicht sonderlich grün ist, nahm sie mich kurzerhand mit zu einem Beratungsgespräch in ihrer Bank.

Der Finanzplatz, das ist Ihr Thema. Wieso hat es Ihnen ausgerechnet dieser angetan?

Die Banken mit ihren Milliarden haben einen grossen Einfluss auf die Welt und damit auch die Klimakrise – es wäre ungerecht, wenn sie weiterhin Unternehmen fördern, die die Klimakrise befeuern. Am zweiten nationalen Treffen des Klimastreiks gründete ich also eine Gruppe, die sich für ökologische Banken einsetzt. Unsere Forderungen nach Transparenz und einem Stopp an Investitionen in «dreckige» Unternehmen wurden vom Klimastreik angenommen. Anschliessend schrieben wir Briefe an etwa 100 Schweizer Banken. Das löste einiges aus: Die Banken wollten mit uns sprechen.

Sie studierten damals Soziologie und hatten keine Ahnung vom Bankenwesen.

Das stimmt. Doch wenn ich für etwas brenne, dann brenne ich. Ich eignete mir also das nötige Wissen an, um in den Gesprächen konstruktiv zu bleiben und zu überzeugen. Manche Banken erarbeiteten dann auch tatsächlich Lösungen. Einige davon waren gut. Aber vieles fand ich eher ernüchternd: Ihre Lösungen entsprachen nicht meiner Vorstellung einer besseren Welt. Was haben Unternehmen wie die UBS, die weiterhin in fossile Energie investieren, in einem nachhaltigen Fonds zu suchen?

Ein Rückschlag. Haben Sie trotzdem etwas daraus gelernt?

Ich habe mich vom Gefühl gelöst, dass die Rettung der Welt von mir abhängt. Ich gebe mein Bestes, schaue aber auch zu mir selbst. Ich habe aufgehört, andere zu beschuldigen und ständig im Widerstand zu leben. Denn diese Emotionen richte ich auch gegen mich. Die Auseinandersetzung mit den Banken zeigte mir, dass wir längerfristig ein anderes System brauchen. Eines, das nicht Profit, sondern das Wohl für alle in den Vordergrund stellt. Es tut mir gut, mich auch für diese Vision einzusetzen.

Zum Abschluss: Sie können allen in der Schweiz einen Tipp für ein nachhaltigeres Leben geben. Welcher ist das?

Wir können bei jeder Handlung innehalten und uns fragen: Möchte ich hierzu wirklich noch beitragen?

Die Bernerin Stephanie Wyss (24) wurde als ein Gesicht der Klimabewegung bekannt: Sie hielt Reden an Demonstrationen, wurde von diversen Zeitungen porträtiert und diskutierte öffentlich mit Bankenvertretern über die Rolle des Finanzplatzes in der Klimakrise. «Bei den Finanzinstituten haben wir einen riesigen Hebel, um lokal und global etwas für das Klima zu tun», sagte sie einmal. Heute ist Wyss unter anderem Teil der SNB-Koalition, die sich für einen ökologischen Finanzplatz einsetzt.

Stephanie Wyss, Sie sind in einer Familie aufgewachsen, in der die Klimakrise kein Thema war. Warum interessieren Sie sich überhaupt dafür?

Stephanie Wyss: Seit ich klein bin, beschäftigt mich, dass es anderen Menschen nicht so gut geht wie mir. Oft traf mich der Kontrast zwischen meinem Leben und dem Leben anderswo. Ich verstand nicht, wieso dieser Unterschied existiert, und fand es unfair. Mit 18 Jahren las ich das Buch «Traumfänger» von Marlo Morgan. Darin beschreibt sie, wie die Aborigines unsere Gesellschaft sehen und wie sie selbst gelebt hatten. Es berührte mich tief, wie verbunden sie mit der Erde und den Mitmenschen sind. Das führte auch dazu, dass ich unsere Gesellschaft noch weniger verstand.

Beim Unverständnis ist es nicht geblieben. Sie wurden zur Aktivistin.

Genau. Politisch aktiv zu sein, half mir, mit meinem Weltschmerz und der empfundenen Ohnmacht umzugehen. Beim Start der Klimabewegung mit Greta Thunberg wurde ich vom Feuer der Bewegung mitgerissen. Ich hatte damals keinen ökologischen Lifestyle und wusste nicht viel über die Klimakrise. Mir war nicht bewusst, wie meine Handlungen und das Wohl des Planeten zusammenhängen. Das änderte sich rasch. Und ich fand es selbstverständlich, dass sich nicht nur im Grossen vieles ändern muss, sondern auch im Kleinen. Bei meinen Handlungen. Inzwischen lebe ich beispielsweise vegetarisch.

Eine Klimaaktivistin in einer bürgerlichen Familie – das führte sicherlich zu Konflikten.

Ich verstand nicht, dass meine Familie sich keine grossen Sorgen machte. Ich fühlte mich allein gelassen, unverstanden und griff ihr Verhalten oft an: «Müsst ihr wirklich für ein verlängertes Wochenende wegfliegen, ist euch das Klima so egal?!» Das kam nicht gut an.

Anecken gehört zum Aktivismus. Veränderten Sie dadurch denn auch etwas?

Ja. Meine Grossmutter entschied beispielsweise, dass wir zu ihrem 80. Geburtstag alle zusammen mit dem Zug statt mit dem Flieger nach Paris reisen. Zudem wechselte sie auf nachhaltige Anlagen. Und als sie erfuhr, dass auch bei diesen vieles nicht sonderlich grün ist, nahm sie mich kurzerhand mit zu einem Beratungsgespräch in ihrer Bank.

Der Finanzplatz, das ist Ihr Thema. Wieso hat es Ihnen ausgerechnet dieser angetan?

Die Banken mit ihren Milliarden haben einen grossen Einfluss auf die Welt und damit auch die Klimakrise – es wäre ungerecht, wenn sie weiterhin Unternehmen fördern, die die Klimakrise befeuern. Am zweiten nationalen Treffen des Klimastreiks gründete ich also eine Gruppe, die sich für ökologische Banken einsetzt. Unsere Forderungen nach Transparenz und einem Stopp an Investitionen in «dreckige» Unternehmen wurden vom Klimastreik angenommen. Anschliessend schrieben wir Briefe an etwa 100 Schweizer Banken. Das löste einiges aus: Die Banken wollten mit uns sprechen.

Sie studierten damals Soziologie und hatten keine Ahnung vom Bankenwesen.

Das stimmt. Doch wenn ich für etwas brenne, dann brenne ich. Ich eignete mir also das nötige Wissen an, um in den Gesprächen konstruktiv zu bleiben und zu überzeugen. Manche Banken erarbeiteten dann auch tatsächlich Lösungen. Einige davon waren gut. Aber vieles fand ich eher ernüchternd: Ihre Lösungen entsprachen nicht meiner Vorstellung einer besseren Welt. Was haben Unternehmen wie die UBS, die weiterhin in fossile Energie investieren, in einem nachhaltigen Fonds zu suchen?

Ein Rückschlag. Haben Sie trotzdem etwas daraus gelernt?

Ich habe mich vom Gefühl gelöst, dass die Rettung der Welt von mir abhängt. Ich gebe mein Bestes, schaue aber auch zu mir selbst. Ich habe aufgehört, andere zu beschuldigen und ständig im Widerstand zu leben. Denn diese Emotionen richte ich auch gegen mich. Die Auseinandersetzung mit den Banken zeigte mir, dass wir längerfristig ein anderes System brauchen. Eines, das nicht Profit, sondern das Wohl für alle in den Vordergrund stellt. Es tut mir gut, mich auch für diese Vision einzusetzen.

Zum Abschluss: Sie können allen in der Schweiz einen Tipp für ein nachhaltigeres Leben geben. Welcher ist das?

Wir können bei jeder Handlung innehalten und uns fragen: Möchte ich hierzu wirklich noch beitragen?

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Erste Veröffentlichung: 
6.9.2022
  |  Letztes Update: 
8.9.2022
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